Wo das Neißeland beginnt
Das Neißeland erstreckt sich im Osten Sachsens, dort, wo Deutschland an Polen grenzt. Die Lausitzer Neiße bildet das Rückgrat dieser Region – ein Fluss, der Geschichte, Landschaft und Identität prägt. Zwischen Bad Muskau im Norden und dem Berzdorfer See bei Görlitz im Süden zieht sich ein Landstrich, der zugleich ruhig und lebendig ist, verwurzelt in der Oberlausitzer Kultur und doch offen für Neues. Dazwischen liegen Weißwasser, Rothenburg, Reichenbach und viele kleine Orte, die ihren eigenen Charakter bewahrt haben.









Landschaften voller Bewegung
Hier verläuft die Grenze zwischen zwei Ländern, aber auch die Verbindung zwischen ihnen. Wer an den Ufern der Neiße unterwegs ist, spürt, dass das Neißeland kein klar umrissenes Gebilde ist – es ist eine Region des Übergangs, in der man Natur, Sprache und Kultur auf besondere Weise erleben kann.
Die Landschaft des Neißelandes wirkt auf den ersten Blick still, doch sie erzählt Geschichten von Eiszeit, Wasser und Wandel. Die Flussauen der Neiße, die sanften Hügel des Muskauer Faltenbogens und die stillen Teiche im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft bilden ein außergewöhnliches Ensemble.
Hier hat die Natur selbst ihre Formen gestaltet: während der letzten Eiszeit schoben sich Gletscher über das Land, pressten den Boden zusammen und hinterließen die typischen Falten und Erhebungen, die heute das Landschaftsbild bestimmen. Zwischen diesen geologischen Spuren breiten sich Wiesen, Wälder und Seen aus – Lebensräume für unzählige Tierarten. Wer auf einem der Rad- oder Wanderwege unterwegs ist, erlebt diese Natur als lebendiges Mosaik, das von Wasser, Wind und Geschichte gezeichnet ist.
Drei UNESCO-Stätten – ein Landstrich
Kaum eine andere Region dieser Größe vereint so viele UNESCO-Auszeichnungen auf so engem Raum. Im Norden liegt der weltbekannte Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau, ein Meisterwerk der Gartenkunst. Auf beiden Seiten der Neiße erstreckt sich der Landschaftspark über 800 Hektar – zwei Drittel auf polnischer, ein Drittel auf deutscher Seite. Wege, Brücken und Sichtachsen verbinden beide Länder miteinander, während das Neue Schloss im Zentrum über die Landschaft wacht.
Unweit davon beginnt der UNESCO Global Geopark Muskauer Faltenbogen, der die geologische Geschichte der Region sichtbar macht. Hier kann man buchstäblich die Erdgeschichte unter den Füßen spüren. Farbenreiche Seen, Falten, kleine Schluchten und bizarre Erhebungen erzählen von den Kräften, die einst das Land formten.
Südlich schließt das Biosphärenreservat Heide- und Teichlandschaft an – ein Paradies für Vögel, Biber und seltene Pflanzen. Auf stillen Wegen zwischen den Teichen erlebt man die Oberlausitz von ihrer ursprünglichsten Seite. Wer hier unterwegs ist, begreift schnell, dass das Neißeland ein Ort ist, an dem sich Kultur und Natur auf besondere Weise durchdringen.
Kultur zwischen Dorf und Welterbe
Neben seiner landschaftlichen Schönheit birgt das Neißeland eine reiche kulturelle Vielfalt. Die Stadt Bad Muskau bildet mit ihrem Schlosspark das nördliche Tor, während im Süden Görlitz mit seiner einmaligen Altstadt glänzt. Zwischen beiden finden sich Orte, die von Handwerk, Tradition und Geschichte erzählen.
Das Museumsdorf Erlichthof in Rietschen zeigt, wie die Menschen früher lebten: historische Schrotholzhäuser, liebevoll restauriert, stehen als Zeitzeugen vergangener Jahrhunderte. Im Lausitzer Findlingspark Nochten lässt sich die Geschichte der Gletscher und der Steine nachempfinden, während das Luftfahrttechnische Museum in Rothenburg an die Pionierzeit der Fliegerei erinnert.
Überall begegnet man dem typischen oberlausitzer Charme: regionale Küche, gelebte Handwerkskunst und eine Gastfreundschaft, die ehrlich und bodenständig wirkt. Das Neißeland ist kein künstlicher Ferienpark – es ist eine gewachsene Region, in der man sich Zeit nehmen sollte, um hinter die Fassaden zu schauen.
Unterwegs auf Rad, Boot und zu Fuß
Das Neißeland ist wie gemacht für alle, die sich gern bewegen. Ein dichtes Radwegenetz verbindet Dörfer, Flüsse, Teiche und Sehenswürdigkeiten. Besonders beliebt ist der Oder-Neiße-Radweg, der von der tschechischen Grenze bis zur Ostsee führt und hier durch einige der schönsten Landschaftsabschnitte Sachsens verläuft.
Wer es gemütlicher mag, folgt der Neißeland-Tour oder erkundet die Umgebung rund um den Berzdorfer See. Zwischen Bad Muskau und Kromlau fährt die Waldeisenbahn Muskau, eine historische Schmalspurbahn, die Familien wie Nostalgiker gleichermaßen begeistert.
Auf dem Wasser locken Bootstouren auf der Neiße – ein echtes Abenteuer zwischen Deutschland und Polen. Das ruhige Fließgewässer ist für Einsteiger geeignet, aber landschaftlich spektakulär. Kleine Stromschnellen, alte Brücken, unberührte Ufer – wer hier paddelt, entdeckt das Neißeland von seiner wildromantischen Seite.
Auch Wanderfreunde kommen auf ihre Kosten: In den Königshainer Bergen führen Pfade durch Granitbrüche und alte Steinmetzreviere, während am Rotstein, dem ältesten Naturschutzgebiet Sachsens, seltene Pflanzen und großartige Aussichten warten.
Das Neißeland ist keine Region, die man im Eiltempo erlebt. Es ist ein Gebiet für langsames Reisen, für Begegnungen, für das bewusste Entdecken.
Familienabenteuer und stille Momente
Das Besondere am Neißeland ist seine Vielseitigkeit. Familien finden hier ebenso ihr Glück wie Ruhesuchende. Kinder staunen in der „Geheimen Welt von Turisede“, einer phantasievollen Erlebniswelt bei Zentendorf, die sich über Baumwipfel, Brücken und Tunnel erstreckt. In der Erlebniswelt Krauschwitz geht es dagegen um Wasserspaß und Bewegung, während Tierparks und Wildgehege den Kontakt zur Natur fördern.
Wer die Ruhe sucht, findet sie an den stillen Ufern des Stausees Quitzdorf, beim Sonnenuntergang über dem Bärwalder See oder im Schatten einer Pappelallee bei Rothenburg. Diese Mischung aus Erlebnis und Entspannung macht das Neißeland so besonders.
Hier sind Abenteuer und Achtsamkeit keine Gegensätze – sondern Teil derselben Erfahrung.
Zwischen Vergangenheit und Zukunft
Das Neißeland war nie eine klar abgegrenzte Region – es ist das Ergebnis von Wandel. Einst war hier Bergbaugebiet, wurden Braunkohlegruben ausgehoben und wieder verfüllt. Heute sind daraus Seenlandschaften, Erholungsgebiete und neue Lebensräume entstanden.
Der Strukturwandel hat die Region verändert, aber auch neue Chancen geschaffen. Tourismus, nachhaltige Landwirtschaft und kulturelle Projekte ersetzen zunehmend die alte Industrie. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein, dass diese Grenzregion eine Brückenfunktion einnimmt – nicht nur geografisch, sondern auch menschlich.
Projekte beiderseits der Neiße fördern Begegnungen, Austausch und gemeinsame Feste. Auf polnischer Seite entstehen Radwege, Märkte und Ausstellungen, die mit den sächsischen Partnern vernetzt sind. Das Neißeland wird so zu einem Modell für europäische Zusammenarbeit, ohne seine Wurzeln zu verlieren.
Zukunft eines Geheimtipps
Noch ist das Neißeland kein Massenziel. Und genau das ist sein Vorteil. Die Dörfer bleiben authentisch, die Landschaft weitgehend unberührt, und die Menschen sind stolz auf ihre Heimat. Die Region ist im besten Sinne ein Ort des Ankommens – für jene, die Natur erleben, Kultur begreifen und Grenzen neu denken wollen.
Touristische Initiativen, etwa des Vereins TGG Neißeland, setzen auf nachhaltige Entwicklung: sanfte Mobilität, regionale Produkte, kleine Gastgeber statt großer Ketten. Es geht darum, Wachstum im Einklang mit der Natur zu gestalten.
Wenn das gelingt, wird das Neißeland zu einer der spannendsten Reise- und Lebensregionen Ostdeutschlands. Eine Region, die mit Ruhe, Klarheit und echten Begegnungen überzeugt – und gerade darin ihre Kraft findet.
Quellen und Links für diese Region
- Touristische Gebietsgemeinschaft Neisseland e.V.
- UNESCO Global Geopark Muskauer Faltenbogen / Łuk Mużakowa
- Stiftung Fürst-Pückler-Park Bad Muskau
- Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft