Wenn eine stillgelegte Kohlefabrik zum Theater wird, chinesische Kunqu-Oper auf Jazz trifft und eine Familienoper über Krabat im Gerhart-Hauptmann-Theater Premiere feiert, dann steht wieder das Lausitz Festival vor der Tür. Vom 24. August bis 14. September 2025 stellt sich das Festival erneut dem Anspruch, Kultur nicht nur zu zeigen, sondern in die gesellschaftliche Gegenwart einzumischen – mit Haltung, mit Reibung, mit Mut zur Tiefe.
31 Veranstaltungen an 20 Spielorten in Südbrandenburg und Ostsachsen stehen auf dem Plan. Kein „Kulturprogramm“, sondern eine programmatische Einladung: Denken, fühlen, diskutieren – auf der Bühne, im Kirchenraum, im Tagebau, im Kino.
Das diesjährige Leitmotiv: „unsbewusst“. Es schließt an den letztjährigen Begriff „Anderselbst“ an und dreht sich ums Kollektiv. Nicht um das Ich, sondern das Wir – und was davon übrig bleibt, wenn man die Oberfläche abkratzt. Es geht um Resonanzräume, um Erinnerungen, die nicht nur uns gehören, und um die Zukunft, die mehr als eine Richtung kennt.
Lausitz Festival GmbH
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Start in der Brikettfabrik, Finale mit Krabat
Eröffnet wird das Festival mit einem Theaterstück, das wortwörtlich auf seinen Spielort zugeschnitten ist: In der Brikettfabrik „Louise“ in Domsdorf feiert die „Sonettfabrik“ Premiere. Regie führt der österreichische Theatermacher Michael Sturminger, die Texte basieren auf Sonetten von Shakespeare – die Kulisse ist nicht romantisch, sondern rau und real. Genau das macht den Reiz aus.
Fast am Ende der Festivalwochen geht es in Görlitz zurück in die Sagenwelt: Die Familienoper „Krabat“ von Marius Felix Lange hebt ab – ein gemeinsames Projekt mit dem Gerhart-Hauptmann-Theater. Komponist und Librettist in Personalunion, Lange bringt den sorbischen Mythos in eine musikalische Form, die sich ausdrücklich an heutige Generationen richtet.
Dazwischen: Drei Wochen dichter Kultur
Die Zeit zwischen diesen beiden Premieren ist nicht fürs Durchatmen gedacht. Das Programm ist voll – und bewusst vielfältig.
Theater, das sich etwas traut
Mit dabei ist eine Neuauflage von „Othello / Die Fremden“ auf dem Telux-Gelände in Weißwasser – eine Produktion, die schon im Vorjahr für Aufsehen sorgte. Neu ist dagegen „Müller & Müller“, das die explosive Beziehung zwischen Heiner und Inge Müller thematisiert – mitten auf der ehemaligen Abraumförderbrücke F60 in Lichterfeld-Schacksdorf. Keine Kulisse – eine Kampfansage.
Klangräume zwischen Kunqu und Kurt Weill
Auch musikalisch bleibt wenig vorhersehbar. Ein Highlight: „Gravitations – Das Lied von den Menschen“ in der Dorfkirche Cunewalde. Ein szenischer Musikabend, bei dem der chinesische Star Zhang Jun auf den israelischen Jazzbassist Haggai Cohen-Milo trifft. Zwei Rapper ergänzen das Ensemble. Die Brücke führt von alten chinesischen Gedichten zu Gustav Mahlers „Lied von der Erde“.
Im Kronenkino Zittau bekommt Shakespeare eine jazzige Neuinterpretation. „Shakespeare Songbook“ heißt das Projekt, wieder mit Cohen-Milo – diesmal mit Sängerin Célia Kameni, die Shakespeares Verse zum Klingen bringt.


Besonderes Gewicht hat das Konzert „Der Klang der Stille“ in der Peterskirche Görlitz: ein Abend zu Ehren des Komponisten Arvo Pärt, der 90 wird. Mit dabei: der Estnische Philharmonische Kammerchor, das Alte-Musik-Ensemble Concerto Copenhagen und Dirigent Tōnu Kaljuste. ARTE Concert überträgt live.
Weitere musikalische Akzente:
- Das Quatuor Danel mit einem Kammermusikabend
- João Barradas, Akkordeon, zwischen Experiment und Klassik
- Szymon Nehring, romantisch am Klavier
- Cyrille Dubois, französischer Tenor, im Liederabend
- … und das Duo Johanna Summer & Kit Armstrong – Jazz trifft Klassik auf Augenhöhe

Worte, die bleiben: Literatur auf der Bühne
Literatur bekommt beim Lausitz Festival nicht nur eine Leselampe, sondern eine Bühne.
- In Cottbus wird „Zwischen Welten“ von Juli Zeh und Simon Urban inszeniert – ein moderner Briefroman via E-Mail und Messenger.
- In Görlitz gibt’s eine szenische Lesung aus dem 1400-Seiten-Roman „Amadoka“ von Sofia Andruchowytsch. Die Autorin ist anwesend und diskutiert mit Sonja Zekri.
- Schauspieler Hans-Jürgen Schatz liest „Tristan“ von Thomas Mann – im Haus Schminke, einem Ort mit architektonischem Eigenwillen.
Bildwelten: Zwei Ausstellungen
Visuelle Kunst kommt ebenfalls zu Wort – wenn auch auf ihre eigene Weise:
- Der südafrikanische Künstler William Kentridge zeigt im Dieselkraftwerk Cottbus seine Videoarbeit „Self Portrait as a Coffee Pot“.
- Parallel dazu läuft im Neuen Schloss Bad Muskau die Ausstellung „Risse im Schatten“, in der Kentridge auf Werke von Heisig, Herrmann und Killisch trifft.
Diskurs statt Begleitprogramm: Das Lausitz Labor
Das Lausitz Labor ist kein Rahmenprogramm, sondern ein integraler Bestandteil. Die Philosophen Christiane Voss und Christoph Menke diskutieren im Alten Stadthaus Cottbus mit Gästen wie Heinz Bude, Isolde Charim, Lea Prix oder Klaus Theweleit über genau das, was auf der Bühne verhandelt wird – nur eben ohne Bühnenlicht.
Tanz mit Zeitebenen: „HERE“ von Andrew Schneider
In der Kammerbühne des Staatstheaters Cottbus trifft Technik auf Bewegung. Das Tanzstück „HERE“ von US-Choreograf Andrew Schneider, gemeinsam entwickelt mit Margaux Marielle-Tréhoüart und Joel Suárez Gómez, verschränkt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf engem Raum – ohne eine Sekunde zu viel.
Zum Schluss: Lemper singt Weill
Das Festival endet mit einem Liederabend – aber keinem stillen. Ute Lemper, weltweit gefeiert, singt Kurt Weill im Volkstheater Bautzen. Nur begleitet von Pianist Vana Gierig – intim, direkt, kraftvoll. Ein Abschluss mit Format.
Tickets & Termine
👉 lausitz-festival.reservix.de
Spielorte: Altdöbern, Bad Muskau, Bautzen, Cottbus, Cunewalde, Domsdorf, Finsterwalde, Görlitz, Lichterfeld-Schacksdorf, Löbau, Weißwasser, Zittau
🗓 Festivalzeit: 24. August – 14. September 2025 – Mehr erfahrt Ihr auf 🌐 www.lausitz-festival.eu